Knapp 40 ukrainische Flüchtlinge trainieren einmal in der Woche beim TC SW Kehl
Die Temperaturen steigen hoch an diesem Samstagmorgen auf der Anlage des TC Schwarz-Weiß Kehl – aber das tut der Stimmung auf den Plätzen keinen Abbruch. Lachende Gesichter und viel Spielfreude zeichnen die Spielergruppen aus, die gerade trainieren. Die Besonderheit: Alle Spielerinnen und Spieler sind aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen und leben jetzt in Kehl. Hier in der Rheinstadt und in den Ortschaften werden viele hundert Flüchtlinge zahlreicher Nationalitäten von der Kehler Flüchtlingshilfe unterstützt. Dass diese Hilfe möglich ist, liegt auch an Unterstützern wie der Carl-Friedrich Geiger Stiftung. Diese hat im Angesicht des Ukraine-Krieges 2022 ihr Leuchtturmprojekt den ukrainischen Flüchtlingen gewidmet. Mithilfe der Großspende von 100.000 Euro finanzierte die Kehler Flüchtlingshilfe zahlreiche Projekte, stattete beispielsweise Schüler mit Laptops und Tablets aus, besorgte gebrauchte Fahrräder und Schulbücher oder finanzierte die Gebühren von Sprachkursen für Erwachsene. Das laufende Tennis-Projekt nutzt die integrierende Wirkung von Sport und greift auf die lange Erfahrung der Beteiligten zurück. Fadil Seric ist nicht nur Vorstand der Geiger-Stiftung, sondern war auch Jahrzehnte Tennistrainer beim TC SW Kehl. Er weiß um die Integrationskraft, die das Spielen im Verein entfalten kann. In den 90er-Jahren haben zahlreiche Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg dank ihm und dem Vereinsleben Anschluss und Halt gefunden – und wurden für den Club wichtige Spieler. „Ich habe immer gewusst“, sagt Fadil Seric auch mit Blick auf das Geschehen auf den Plätzen, „dass die Kinder und Jugendlichen hier in einer guten Umgebung aufgehoben sind.“ Mit dem Tennissport ist auch der Kuratoriumsvorsitzende der Geiger-Stiftung, Michael Strickmann, vertraut. Auch wenn er mittlerweile nur noch hobbymäßig zum Schläger greift:
„Es ist nicht allein der Sport an sich, sondern es sind auch die persönlichen Kontakte, die gerade für die jüngeren Flüchtlinge besonders wertvoll sind. Denn nicht wenige von ihnen werden längerfristig in Deutschland leben und unsere Gesellschaft bereichern.“ Dass dieses Projekt überhaupt Realität wurde, dazu hat maßgebend Margarita Koshyl beigetragen, die in den ersten Kriegswochen aus ihrer bombardierten Heimatstadt Charkiw nach Kehl gelangte. Dank ihrem Engagement und ihren guten deutschen Sprachkenntnissen ist die studierte Medizinerin eine wichtige Stütze für die Kehler Flüchtlingshilfe. Mit ihrer Hilfe organisieren sich die ukrainischen Spielerinnen und Spieler, die vom Grundschulalter bis zum Erwachsenen reichen. Knapp 40 Flüchtlinge, überwiegend Kinder und Jugendliche, werden in Altersgruppen an verschiedenen Wochentagen von Clubtrainer Goran Gerdijan ins Training eingebunden: „Da ist immer eine tolle Stimmung und jede Woche hohe Motivation bei allen vorhanden“, lobt der Trainer die neuen Schützlinge. Dabei sind fast alle von ihnen Anfänger, die mit dem Tennissport vorher nicht in Berührung kamen. Eine Ausnahme ist die 20-jährige Liza aus Mariupol. In ihrer russisch besetzten Heimatstadt, die der Krieg als verwüstete Ruine hinterlassen hat, wird ans Tennisspielen lange nicht zu denken sein. Sie und ihr Vater stehen dafür nun jeden Samstag beim TC Kehl auf der Anlage und schlagen die Bälle gekonnt übers Netz. „Ich habe vier Jahre in der Ukraine gespielt, dann musste ich wegen einer Verletzung am Bein lange pausieren. Jetzt spiele ich wieder“, erklärt sie strahlend. Möglicherweise wird sie in der kommenden Saison die Damenmannschaft des TC Kehl unterstützen können. So profitiert auch der Tennisclub vom neuen Leben auf den Plätzen.
Das Tennisspiel ist für die Flüchtlinge ein kleines Hoch im Alltag, der auch genug Tiefen kennt, angesichts des andauernden Kriegs und der Nachrichten vom täglichen Beschuss und dem Sterben in der Heimat. Fadil Seric und Michael Strickmann überlegen derweil, wie sie das laufende Programm, das Flüchtlingen aller Nationalitäten und aus allen Ländern offenstehen soll, verstetigen können. Beide sind sich einig: Nicht nur beim Tennisspiel, auch beim Helfen braucht man einen langen Atem.